Veränderungen werden die Zukunft der Versicherungsbranche prägen
(Berlin, 27.01.2014) Die deutsche Versicherungswirtschaft hat derzeit schon ein Problem mit unterdurchschnittlichem Wachstum, wobei nicht nur die aktuell niedrigen Garantiezinsen und ein gewisser Grad an Marktsättigung als „Entschuldigung“ geltend gemacht werden können. Nachdem 2013 ein vergleichsweise teures Jahr für die deutschen Versicherungsunternehmen aufgrund der vielen Naturkatastrophen war, sieht die gesamte Branche mit gemischten Gefühlen nach vorn. Viele Experten sind der Ansicht, dass die Branche noch viel zu konservativ handelt und nötige Innovationen nicht hinreichend zulässt. Allerdings gibt es auch schon einige wenige Gesellschaften, die Neuerungen bereits mit höherer Geschwindigkeit umsetzen als der breite Durchschnitt – hierbei müssen die sich merklich variierenden Strukturen z. B. aufgrund der digitalen Entwicklung und dem sich verändernden Sicherheits- und Anlagebedürfnis einer demografisch gewandelten Bevölkerung, aber auch Dinge wie Zinstiefphasen, Vertrauensverluste der Endkunden oder geänderte Geschäftsmodelle berücksichtigt werden. Kunden sind aktuell auf der Suche nach transparenten, einfach vergleichbaren (z. B. über sog. Vergleichsportale) und individuell passenden Versicherungs- und Anlagelösungen. Versicherungsunternehmen unterliegen zukünftig zudem den neuen Eigenkapitalregeln für die gesamte europäische Branche, was für die meisten Assekuranzen eine merkliche Erhöhung ihres Eigenkapitalstocks bedeutet. Die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) als verantwortliche Aufsichtsbehörde sieht gerade im Zusammenspiel der aktuellen Niedrigzinsphase und den notwendigen Kapitalumstrukturierungsmaßnahmen für einige Unternehmen der Versicherungsbranche große Probleme aufziehen.
Versicherer müssen handeln
Die mehr als 90 in Deutschland tätigen Versicherungsunternehmen sehen sich also nicht nur einschneidenden, finanziellen Maßnahmenpaketen unterworfen, sondern müssen auch ihr Geschäfts- und Vertriebsmodell ggf. überdenken. Die EU (Europäische Union) gewährt nach aktueller Lage der Dinge zwar großzügige Übergangsfristen von bis zu 16 Jahren für die Umstellung auf die neuen Eigenkapitalregeln, doch kommt letztlich kein Unternehmen in der Union mehr an entsprechenden Maßnahmen vorbei. Allerdings gibt es dabei durchaus auch Rückendeckung seitens der Aufsichtsbehörde für die Versicherungswirtschaft: Eine Lebensversicherung beispielsweise müsse künftig grundsätzlich die möglichen Ausschüttungen aus Policen an ihre Versicherungskunden deckeln, damit eine Belastung erträglicher und kalkulierbarer wird, als dies derzeit der Fall ist. Seit 2007 sind die Unternehmen verpflichtet, die Bewertungsreserven auf die ihnen anvertrauten Gelder hälftig an die Versicherungskunden auszuschütten. Die Behörde sieht dies sehr kritisch und betont, dass solche Auszahlungsmodalitäten die verbleibenden Versicherungskunden belastet, da die möglichen Überschussbeteiligungen für die bestehenden Verträge entsprechend sinken. Das derzeitige Marktumfeld dürfe nicht allzu lange anhalten – wenn die Zinsen auf dem weiterhin historisch niedrigen Niveau verharren, werden die Versicherungsunternehmen große Probleme bekommen, so die Einschätzung vieler Fachleute. Versicherungskunden nähmen nicht hin, dass für superlange Bindungszeiten neben der Absicherung nur minimale Erträge erwirtschaftet würden – obwohl in vielen Modellrechnungen vor Abschluss des Vertrages ganz andere Leistungen per Modell kalkuliert wurden. Andererseits haben die Versicherungsunternehmen derzeit nur sehr wenige Möglichkeiten, für Kunden attraktive Überschussbeteiligungen zu erwirtschaften.
Umfassende Dienstleistungen und schlankere Strukturen
Die Zukunft der Branche wird nur für diejenigen Unternehmen Platz lassen, die sich im gesamten Umdenk- und Umstellungsprozess zu behaupten wissen. Viele Fachleute gehen davon aus, dass der Versicherer der Zukunft weg muss vom Image als reiner Schadenregulierer mit eigennützigen Vermittlungsprovisionsmodellen – hin zu Präventionsberatung und umfassendem Risikomanagement im Sinne des Kunden. Die Ausrichtung an der für den Kunden notwendigen Absicherungs- und Anlagebasis sowie Dienstleister mit klaren Richtlinien und Vorgaben für den Kunden für die Prävention, Vermeidung und Absicherung der in Frage kommenden Risiken. Erste Schritte sind bereits erkennbar: So kann der Kunde schon heute beispielsweise vereinzelt in bestimmten Mitgliedsländern sog. Fahrsicherheitssysteme in Kraftfahrzeugen mitführen und so die Versicherungsprämie aufgrund des individuell zugeschnittenen Risikoprofils senken. Auch gibt es am Markt Versicherungen, die beispielsweise nach Eintritt eines Schadenfalles abgeschlossen werden können und nicht eine bestimmte Zeit schadenfrei laufen müssen, damit überhaupt eine Leistung erbracht wird. Je nach individueller Ausrichtung und dem Einzelbedarf des Kunden können Versicherungen zukünftig quasi somit als Individualmanager auftreten. Diese Umstrukturierung bedeutet sicherlich viel Arbeit für die betroffenen Gesellschaften, doch die Zeiten für alte Strukturen laufen ab – nicht nur deshalb, weil aktuell für viele Mitmenschen Versicherer auch nicht mehr uneingeschränkt vertrauenswürdig sind.
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